Was ist die Vorneigung bei einer Montage?

Grundverständnis Außenballistik & Visierfunktion

Grob zusammengefasst, möchte jeder Körper in der Luft wieder nach unten auf die Erde fallen. Als im Sommer 1665 dem jungen Isaac Newton also ein Apfel am Kopf vorbei gedonnert ist und er einige Jahre später (17. April 1726) das allgemeine Gravitationsgesetz definierte war die Grundlage und das Verständnis darüber vorhanden.

Somit ist klar, wenn ein Geschoss den Lauf verlässt, fliegt es zwar nach vorne mit viel Geschwindigkeit hinaus, fällt aber auch in einer gestreckten Kurve nach unten - wir nennen es ballistische Kurve.


Begriffübersicht:

Möchten wir also etwas präzise treffen, benötigen wir etwas Hilfe. Das dazu brauchbare Instrument eines Schützen ist Kimme & Korn oder ein Zielfernrohr. Egal welches von Beiden, das Prinzip ist das Selbe. Wir schaffen uns mit einem solchen Hilfsmittel auf der Waffe eine Sichtlinie, welche im Gegensatz zur ballistischen Kurve einfach nur eine Gerade Linie durch Kimme & Korn oder das Zielfernrohr abbildet. (Es sei denn jemand möchte neben einem Schwarzen Loch schießen, welches selbst Licht krümmt, aber davon gehen wir jetzt einmal nicht aus)


In der Grafik oben sehen wir also schon das Problem. Wir haben eine Ballistische Kurve welcher das Geschoss folgt und eine Sichtlinie mit der unser Auge auf dem Ziel ist. Könnte man im Zielfernrohr die Sichtlinie nicht nach oben oder unten verstellen (denn nichts anderes macht man beim Klicken) wäre das Glas auf dem Gewehr also relativ sinnlos. Der Sinn eines Zielfernrohrs oder Visiers an sich ist also grob gesagt kein Anderer, als dass man die Sichtlinie mit der ballistischen Kurve des Geschosses auf die notwendige Zielentfernung überein bringt - bzw. die Sichtlinie hoch oder runter "neigen". Alles Andere wie Vergrößerungsfaktor, art der Verstellung, Transmissionswerte usw. sind nützliche Eigenschaften, aber nicht das Grundprinzip der Funktionsweise.

Was ist die Vorneigung?

Nachdem wir es also geschafft haben unser Zielfernrohr so einzustellen, dass die Ballistische Kurve im Ziel mit der Sichtlinie des Zielfernrohrs übereinstimmt, trifft unser Geschoss genau auf besagte Entfernung. Dies reicht den meisten Schützen aus um glücklich zu sein. Was ist aber, wenn das Ziel nun deutlich weiter weg ist? 

Ein Zielfernrohr hat einen vertikalen Verstellweg, also einen mechanisch eingeschränkten Bereich in welchem man die Sichtlinie nach oben oder unten im Zielfernrohr selbst "neigen" kann. Wie schon bei dem Wort "eingeschränkter Bereich" zu vermuten war, kann dieser auch an seine Grenze kommen. Wenn dies passiert, dann ist das Ziel so weit entfernt, dass ich mit der Sichtlinie / Mitte des Absehens des ZFs nicht mehr den gewünschten Endpunkt der ballistischen Kurve übereinbringen kann. 



Wenn dies Geschieht, kann man über eine Vorneigung der Visierschiene oder der Zielfernrohrmontage das Zielfernrohr zusätzlich abneigen. Kurzum, bei einer vorgeneigten Schiene auf der Waffe, ist die Schiene nicht parallel zur Seelenachse (die gedachte Linie in der Mitte des Laufs) sondern fällt nach vorne hin ab (neigt sich vor). Bei einer Blockmontage mit Vorneigung ist es das selbe Prinzip. Der vordere Ring sitzt etwas tiefer, womit das Zielfernrohr etwas weiter nach unten schaut.

Welche Vorteile hat eine vorgeneigte Montage oder Visierschiene?

Der Verstellweg eines Zielfernrohrs wird durch eine vorgeneigte Montage verlagert. Am Besten erklärt es sich aber anhand der zuvor gezeigten und hierauf folgenden Grafik...



Wenn also zuvor Euer Zielfernrohr viel Verstellweg in Bereichen übrig hatte, die Ihr nicht nutzt oder benötigt, so habt Ihr nun den Verstellweg mittels der Vorneigung in die notwendigen Bereiche verlegt. Dies gibt Euch dann deutlich mehr Spielraum auf die für Euch relevanten Entfernungen. 

Muss ich was beachten?

Ja, denn Ihr könnt es auch mit der Vorneigung übertreiben und damit dafür sorgen, dass Euer Zielfernrohr z.B. aus dem Verstellbereich von z.B. 100m hinaus läuft. Bedeutet, durch die viel zu große Vorneigung kommt Ihr mit Eurem ZF nicht mehr auf 100m fleck. 



Einer der häufigsten Fehler ist der, dass man sich ein tolles Long Range Gewehr kauft, aber nicht darauf geachtet hat, dass die bereits im Gehäuse eingefräste Visierschiene auch schon eine Vorneigung hat. Bedeutet, wenn der Hersteller die Visierschiene bereits mit 10 MOA Vorneigung eingefräst hat, ich dann nochmals eine 30 MOA Blockmontage darauf setze... habe ich insgesamt 40 MOA Vorneigung und je nach Waffe und Kaliber bekomme ich mein Mittelpunkt im Absehen gar nicht mehr auf die 100m geklickt. 

Ein anderes Problem kann die Lauflänge werden. Hat man einen richtig langen Lauf vor dem Zielfernrohr, kann eine zu starke Vorneigung auch dazu führen, dass ich durch mein ZF z.B. auf das Korn oder die Mündung schaue. 

Was sind MOA?

MOA bedeutet "Minutes of Angle" zu Deutsch "Winkelminuten". 

Vollwinkel = 360°
Ein Grad wird dabei in 60 Winkelminuten (MOA) unterteilt.
1° = 60 MOA

somit ist...

1 MOA = 1/60° (oder 0,01666°)



Bsp.:

  • Eine Blockmontage mit 10 MOA Vorneigung, fällt somit in Längsrichtung nach vorne um 0,16666° ab.
  • Eine Blockmontage mit 30 MOA Vorneigung, fällt somit in Längsrichtung nach vorne um 1/2° ab. 
  • Eine Blockmontage mit 60 MOA Vorneigung, fällt somit in Längsrichtung nach vorne um 1° ab. 


Bei Zielfernrohren geben einige Hersteller den Verstellweg auf 100m nicht nur in cm sondern auch in MOA an. 

Bsp.: Schmidt & Bender 5-45x56 PMII High Power Zielfernrohr
Technische Daten:
Verstellweg Höhe (Turm) = 272 cm auf 100 m / 66 MOA auf 100 m
Verstellwert / Klick = 1cm / 1/4 MOA auf 100 m

Hier ist klar, dass ich meinen Turm um 66 MOA insgesamt (in der Vertikalen) verstellen kann und jeder Klick am Turm das Absehen um 1/4 MOA (sind dann 1cm auf 100m Verstellweg je Klick) nach oben oder unten verstellt.

Ok... und was sind nun schon wieder mrad (MIL)?

Statt MOA (Winkelminuten) geben manche Hersteller auch die Vorneigung oder den Verstellweg in MIL (mrad) an (z.B. Spuhr). Die Abkürzung steht für Milliradiant. Dies ist grob gesagt lediglich eine andere Gradaufteilung des Vollwinkels.

Info: Wir haben in unserem Shop im Regelfall MIL in MOA übersetzt und anders herum. So kann man bei jeder Montage beide Werte sehen oder die richtige Montage herausfiltern.

Zur Übersicht haben wir Euch eine Tabelle erstellt, bei der Ihr nachvollziehen könnt welche Einheit welcher Größe entspricht:

Grad MOA (Winkelminuten) MIL (mrad)
60 MOA 17.777 MIL
0,016° 1 MOA 0,2963 MIL
0,056° 3,4 MOA 1 MIL
     
  10 MOA = 2,962 MIL
  20 MOA = 5,925 MIL
  25 MOA = 7,407 MIL
  30 MOA = 8,888 MIL
  40 MOA = 11,851 MIL
     
  10,1 MOA = 3 MIL
  20,3 MOA = 6 MIL
  30,4 MOA = 9 MIL
  40,5 MOA = 12 MIL

Eine einstellbare Umrechnungstabelle von MOA zu MIL findet Ihr HIER
Eine einstellbare Umrechnungstabelle von MIL zu MOA findet Ihr HIER

Wie viel MOA Vorneigung soll ich wählen?

Diese Frage kann leider nicht pauschal beantwortet werden. Es hängt letztlich vom Verstellweg des eigenen Zielfernrohrs als auch vom Kaliber (Ballistische Werte) ab. Die Waffe muss schlichtweg fachmännisch aufeinander abgestimmt werden. Hierfür gibt es aber bei uns eine entsprechend gute Fachberatung. 

Bei Großkaliberwaffen die auf 100m noch fleck über das ZF schießen sollen (also der regulären Standentfernung) empfehlen wir meist nicht mehr als 20-30 MOA Vorneigung (insgesamt) für eine Montage. Dies nur als Orientierungsstütze um ein Gefühl für die Werte zu bekommen. Bei vielen Waffen kommt man mit 30 MOA Vorneigung schon an oder gar über die Grenze dessen, was das Zielfernrohr mit seinem Absehen noch auf 100m in die Mitte des Ziels (fleck) bekommt.

 

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